Veröffentlicht am 8. März 2023
Ein Beitrag von Meltem Ay

Interview mit Agnes Brelik, Mitglied der Geschäftsführung Bethmann Bank/ABN AMRO

Meltem Ay, Principal bei der Executive-Search-Beratung GET AHEAD hat Agnes Brelik, erste Frau in der Geschäftsleitung der Bethmann Bank/ABN AMRO, anlässlich des heutigen International Womans Day interviewt.

Ein Gespräch über Gleichstellung in der Finanzbranche, warum man mit ehrenamtlichen Aktivitäten bei Gender Diversity nicht ans Ziel kommt und die Bedeutung von Vorbildern. 

Meltem Ay: Sie sind die erste Frau in der Geschäftsleitung der Bethmann Bank. Wie ist das für Sie?

Agnes Brelik: Als Generalbevollmächtigte war ich bereits Teil der regulären Vorstandssitzungen, ich habe also die Rolle stückchenweise übernommen. Aber es ist natürlich ein stolzer Moment, als erste Frau in der Geschichte dieser Bank Teil der Geschäftsleitung zu sein.
Auf der anderen Seite denke ich mir, warum stellen wir uns diese Frage? Neulich hatten wir eine Fotosession und da standen fünf Männer und ich. Was heißt das für mich? Natürlich Spot on, Augen sind auf mich gerichtet, auch als Role Model. Dieses Setting ist mir mittlerweile vertraut, aber ich wünsche mir durchaus noch mehr Gender Diversity.

Meltem Ay: Wie erleben Sie Ihre Branche hinsichtlich der Geschlechterverteilung?

Agnes Brelik: Das ist sehr länderabhängig – auch bei ABN AMRO. Hier in Deutschland ist der Weg tatsächlich relativ lang – zumindest wenn ich aus der Konzernperspektive blicke. In der obersten Führungsmannschaft bin ich die einzige Frau – das zeigt, dass es erstens lange dauert und zweitens es noch Entwicklungspotenzial gibt. In vielen Terminen bin ich immer noch die einzige Frau im Raum. In größeren Terminen heißt das, allein mit rund 20 Männern. Da wird man beobachtet und spürt auch einen gewissen Leistungsdruck, der wahrscheinlich in der Realität gar nicht so groß ist wie wir Frauen ihn aber fühlen. Ich glaube so ist unser Naturell, dass wir aufgrund der Entwicklung und unserem  Bestreben nach Gleichstellung vielleicht auch etwas zu streng mit uns sind.

Meltem Ay: Was empfinden Sie als die größte Herausforderung als berufstätige Mutter?

Agnes Brelik: Natürlich hängt das immer auch von der persönlichen Einstellung ab, wie man seine Rolle im Job ausfüllen möchte. Für mich ist es eine große Herausforderung, berufstätig und Mutter zu sein. Mein Beruf ist mir extrem wichtig, und ich ziehe daraus auch viel Energie für mein Muttersein. Aber es ist durchaus ein Spagat, den wir nicht kleinreden sollten. Es ist herausfordernd, den Job so gut wie möglich zu erfüllen, oder vielleicht sogar viel besser als manch einer erwartet, und gleichzeitig sich Zeit zu nehmen, Mutter zu sein.
Wie mache ich das? Ich achte natürlich in erster Linie darauf, dass es meiner Tochter gut geht und sie glücklich ist. Als Mutter schaue ich dann aber auch darauf, dass ihre Noten gut ausfallen und helfe ihr, je nachdem wie sie es braucht, mit Hausaufgaben oder Vorbereitung auf ihre Kontrollarbeiten. Sie sieht, was ich in meinem Berufsleben mache, wie ich gewisse Themen angehe und wie ich generell agiere. Natürlich möchte ich ihr ein gutes Beispiel und Vorbild sein und ich freue mich, wenn sie in ihrem kleinen Universum sich selbst organisiert zu verschiedenen Themen wie  Selbstständigkeit, Verlässlichkeit, klares Denken, Prioritäten setzen oder die wichtigen Menschen und Themen zu erkennen. Das sind alles Dinge, die ich versuche,  ihr mit auf den Weg zu geben.

Meltem Ay: Häufig basieren Gender-Equality-Aktivitäten in Unternehmen auf dem ehrenamtlichen Engagement von Frauen. Die Unternehmen wiederum nutzen diese gerne zu PR-Zwecken. Wie ist das bei Ihnen?

Agnes Brelik: Wenn wir ein Thema treiben wollen, egal welches Thema, müssen wir einen Schwerpunkt darauf setzen. Jedes Projekt und jede Initiative erfordern einen zeitlichen Einsatz und Fokus. In unserer Gesellschaft waren lange Zeit gewisse Muster und Rollen fest verankert. Dieser Wandel dauert nun bereits einige Jahre und wird auch noch viele Jahre in Anspruch nehmen. Es führt kein Weg daran vorbei, Gender Equality auch als ein Unternehmensziel zu verfolgen. Angesichts der Vielzahl an Themen braucht es diese Priorisierung, um vernünftige Ergebnisse zu erzielen.

Tatsächlich lebt das Thema zumeist vom ehrenamtlichen Engagement einiger Frauen, die sich zusätzlich zu ihren eigentlichen Aufgaben um Gender Equality kümmern. So ist es auch bei unserer Diversity-Beauftragten. Wenn wir als Gesellschaft Gleichstellung ernst nehmen, sollte es meiner Meinung nach auch eine entsprechende Position im Unternehmen geben, die organisatorisch gewichtig aufgehängt ist und auch dotiert ist.

Meltem Ay: Women’s Week, Weltfrauentag etc. - brauchen wir diese Reminder?

Agnes Brelik: Ich habe heute gegoogelt, wann der internationale Frauentag entstanden ist. 1910! Die Motivation der Frauen- und Arbeiterinnenbewegungen damals war weltweit für Gleichberechtigung zu kämpfen, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen für Frauen zu schaffen sowie sich für ein Frauenwahlrecht und gegen Diskriminierung einzusetzen. Einige Themen wie z. B. equal pay sind noch immer aktuell. Ich wünschte, wir bräuchten keine solchen Reminder wie den Weltfrauentag. Am 17. November ist übrigens Weltmännertag. Das wissen wohl die wenigsten. Wie schön wäre es, wenn der 8. März ebenso in Vergessenheit geraten würde und zwar weil Gleichstellung mit all ihren zugehörigen Themen bereits in unserer Gesellschaft verankert sind. Aber das bedarf noch einer gewissen Zeit und Entwicklung.

Meltem Ay: Was bedeutet der Weltfrauentag für Sie?

Für mich persönlich ist es ein normaler Tag und so möchte ich ihn auch leben. Ich wünsche mir, dass wir Diversity und Frauen in Führungspositionen als eine ganz natürliche Entwicklung, als eine selbstverständliche Lebenswelt betrachten.

Meltem Ay: Das Motto des diesjährigen Weltfrauentags lautet „wer Fachkräfte sucht, kann auf Frauen nicht verzichten“. Welche konkreten Maßnahmen/Schritte würden Sie sich von Ihrer Branche, Ihrem Arbeitgeber wünschen?

Zum Glück haben wir als Gesellschaft entdeckt, dass Diversity – also eine gesunde Mischung von allem – uns  sozial, aber auch ökonomisch weiterbringt. Am liebsten würde ich auf das Thema Quotenfrau verzichten, aber dafür müssen sie Eingangsvoraussetzungen einer Karriere und weiterführende Aufstiegsmöglichkeiten für alle gleich sein.

Was können wir tun? Jede offene Position sollte zu gleichen Teilen mit männlichen und weiblichen Profilen gefüllt werden. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie ein Hochleistungsteam gebildet wird. Aus männlichen und weiblichen Mitgliedern, denn nicht das Geschlecht, sondern die Mischung macht den Unterschied. Sie führt zu einer höheren Leistungsstärke. Das gilt es im Auge zu behalten bei der Auswahl der Fach- und künftigen Führungskräfte, aber auch bei der Entwicklung der Organisation und Talente. Es ist wichtig, dass wir als Führungskräfte in den oberen Führungsetagen Potenziale erkennen und diese entsprechend einsetzen. Als Führungskraft muss ich diese Aufgabe ernst nehmen und dahinterstehen, eben nicht nur formal Quoten erfüllen. Das Verständnis für eine gesunde Mischung im Team ist relevant für die Entwicklung eines Unternehmens.

Meltem Ay: Sie sind Mutter einer Tochter. Was ist der wichtigste berufliche Rat, den Sie ihr geben?

Agnes Brelik: Sie soll einen Beruf wählen, der ihr finanzielle Unabhängigkeit erlaubt. Es ist mir unheimlich wichtig, dass sie immer frei entscheiden kann, was sie möchte, eben weil sie unabhängig ist. Ich wünsche mir für sie einen Job, der ihr Freude macht und für den sie brennt. Wenn dir deine Aufgaben Spaß machen, fühlst du dich gut und machst es auch gut. Entwicklung und Karriere sind dann eine natürliche Folge. Dieses Prinzip der Freude ist mir nicht nur bei meiner Tochter, sondern auch bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wichtig. Ich möchte sie so einsetzen, dass sie ihr Potenzial entfalten und Freude entwickeln. Hat man Freude und begeistert sich für seine Aufgaben und seine Themen, kann man auch andere mitnehmen.

Meltem Ay: Wie wichtig sind Vorbilder? Brauchen Frauen weibliche Role Models?

Agnes Brelik: Ich glaube, das ist individuell verschieden. Für die einen ist es sehr hilfreich und motivierend eine Person vor Augen zu haben, der sie nacheifern können. Das Geschlecht finde ich dabei weniger entscheidend als den Charakter. Ich persönlich hatte kein Vorbild. Aber ich hatte einen starken Antrieb. Und natürlich muss in einer Karriere einiges zusammenpassen, um ans Ziel zu kommen. Man braucht Antrieb und die Bereitschaft, die Extrameile zu gehen. Zudem muss man natürlich auch entdeckt werden. Genauso wie ich heute auf meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schaue, hat früher jemand auf mich geschaut und mir eine Chance gegeben. Aber nur, weil ich mich auch danach ausgestreckt habe. Das ist wichtig – bei Frauen wie bei Männern. Wenn ich durch meinen Werdegang andere Frauen inspirieren kann, sich mehr zuzutrauen oder Neues zu wagen, dann freut mich das sehr!

Meltem Ay: Vielen Dank für das Gespräch!

Fotoquelle: Bethmann Bank

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