25 Jahre Personalberatung, 20 Jahre davon bei GET AHEAD. Ein Gespräch mit Matthias Zühlke, unserem Managing Partner, über seine Begeisterung für den Job des Personalberaters, nachhaltige Erfahrungen zum Karrierebeginn, Frankfurter Bäder und berufliche Ratschläge an seine Kinder.
Wolltest du schon immer Personalberater werden oder wie ist es dazu gekommen?
Nein, wollte ich nicht. Ich habe während meiner Ausbildung bei der Commerzbank früh festgestellt, dass der Umgang mit Menschen das ist, was mir am meisten Spaß macht. So durfte ich während der Ausbildung vier Wochen in die HR-Abteilung reinschnuppern, was damals nicht Teil der klassischen Bankausbildung war. Das fand ich sehr spannend.
Wie wird man vom Bankkaufmann zum Personalberater?
Nach der Ausbildung habe ich mich für ein klassisches BWL-Studium mit Schwerpunkt Personalwirtschaftslehre entschieden. Gegen Ende des Studiums bekam ich Panik, weil ich noch keinen Plan hatte, was ich machen will. Also habe ich mein Studium verlängert und Psychologie hinzugenommen. Während meine Kommilitonen zu PWC, KPMG & Co. wechselten, war mir klar, das bin ich nicht. Gleichwohl interessierte mich die Beratung. Aber eben Personalberatung und nicht Unternehmensberatung.
Dann bist du bei einer Personalberatung eingestiegen und alles ging seinen Gang?
So zumindest der Plan. Ich habe mich bei Kienbaum für ein Praktikum beworben, hatte ein super Gespräch und den Vertrag quasi in der Tasche. Einzig der MS-Office-Test – eine „reine Formalie“ – stand noch aus. Und den habe ich glatt vermasselt. Für Kienbaum war das ein Novum und für mich natürlich peinlich!
Zwangsläufig habe ich mich mit Excel & Co. rumgeschlagen und später ein Praktikum im Research bei Hofmann, Herbold & Partner in Königstein begonnen. Mit 20 Partnern und rund 40 Consultants war das damals DIE Executive-Search-Boutique in Deutschland. Es folgte eine in jeder Hinsicht spannende Zeit. Ich habe zum ersten (und sicher letzten Mal) in einer 5er WG gewohnt und Bekanntschaft mit dem Frankfurter Bad gemacht. Das Bedürfnis nach etwas Privatsphäre – das Bad lag in der Küche und war kaum größer als ein Schrank – trieb mich alltäglich zeitig aus den Federn. Meinem Chef gefiel es natürlich, dass ich meist der Erste und Letzte im Büro war, und er gab mir interessante Aufgaben. So habe ich z. B. einen Kandidat:innen-Beurteilungsbogen entworfen, den dort alle Berater:innen nutzen sollten. Wenn ich mir den heute ansehe, war der gar nicht so schlecht. An mein Praktikum schloss sich noch eine Vertretung als Partner-Assistent an, was mir einen großartigen Einblick in das Alltagsgeschäft und den Umgang mit Kund:innen und Kandidat:innen ermöglichte.
Nach meinem Examen habe ich bei einer kleinen Hamburger Personalberatung angefangen, die wiederum zu einer großen Personalmarketing-Agentur gehörte. Das war eine gute Zeit.
Wenn wir zurückrechnen, müsstest du den New Economy Hype – und Niedergang voll mitbekommen haben. Wie hast du diese Zeit erlebt?
Das stimmt. Erstmal lief alles großartig. Höher, schneller, weiter! Ich hatte einen schicken Firmenwagen, besetzte Positionen in Marketing, E-Commerce, Mobile Commerce, etc. und ritt auf der Neuen-Markt-Welle – bis sie uns unter sich begrub. Crash, Gesellschafter-Twist, Neugründung.
Dann kam der 11. September und das Business kam vollständig zum Erliegen. Die Agentur musste Insolvenz anmelden. Das war eine prägende und schwierige Zeit – beruflich wie privat. Klar war nur, ich wollte Personalberater sein und bleiben.
Wie bist du wieder auf die Beine gekommen?
Über eine Anzeige landete ich bei einer Kölner Beratung. Obwohl ich mich aus der Arbeitslosigkeit beworben hatte, boten sie mir einen sehr guten Vertrag an. Ich freute mich über den Job in einem schönen Büro, einen Firmenwagen und gute Bezahlung. Letztlich passten wir aber persönlich nicht zueinander und wir trennten uns am letzten Tag der Probezeit. Mein Learning: Der beste Vertrag ist nichts wert, wenn es kulturell nicht passt.
Hinfallen ist keine Schande; liegenbleiben schon. Das habe ich schon früh von meinem Vater gelernt.
Zurück in Hamburg lernte ich 2002 den Gründer von GET AHEAD kennen, Lutz Gosewisch. GET AHEAD litt damals auch unter der Krise und konnte mich erst einige Zeit später einstellen. Am 1. April 2003 war es so weit.
Wolltest du schon immer unternehmerisch arbeiten oder wie kam es dazu?
Nein! In den Jahren des Studiums habe ich meinem Vater beim Auf- und Ausbau seiner Selbständigkeit geholfen. Damals habe ich noch nicht realisiert, dass mir das Spaß macht und dass ein kleineres Umfeld in breiter Tätigkeit mit spürbarer Verantwortung gut zu mir passt.
Relativ schnell erhielt ich bei GET AHEAD die Chance, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen. Es war großartig, mitzugestalten und die Transformation von einem erfolgshonorierten Personalvermittler zu einer klassischen Personalberatung maßgeblich voranzutreiben. In dieser Zeit kam auch Alexander Matthies, heute ebenfalls Managing Partner bei GET AHEAD, ins Unternehmen. Gemeinsam entwickelten wir GET AHEAD in Richtung Executive-Search-Beratung und übernahmen im Laufe der Zeit die Anteile der Gründer.
Was waren die ersten Maßnahmen, die du als Anteilseigner von GET AHEAD umgesetzt hast?
Die Umwandlung von einer AG in eine GmbH, um die Komplexität zu reduzieren und mehr Zeit für das Business zu haben. Außerdem sind wir von einer Funktionsspezialisierung auf die Branchenspezialisierung umgeschwenkt. Das Branchen-Know-how ist für mich ein entscheidender Erfolgsfaktor im Executive Search. Wir haben uns mit Dr. Knaack als Senior Advisor die Kompetenz in Sachen Evidenzbasierte Persönlichkeitsdiagnostik an Bord geholt, die wir bis heute als unseren USP betrachten.
Ab jetzt ging es also steil bergauf?
Schön wärs! Nein, es gab auch Rückschläge. Wir haben zum Beispiel beim Versuch in die USA zu expandieren, einen Batzen Geld in den Sand gesetzt. Das war eine verrückte Idee. Heute wickeln wir internationale Mandate über unser Friisberg-Netzwerk ab, was viel mehr Sinn ergibt.
Gibt es Kundentermine, die dir in Erinnerung geblieben sind?
Ja, einige. Einer davon war mein erstes selbstakquiriertes Projekt bei der IT-Tochtergesellschaft der Hamburg Mannheimer (jetzt ERGO). Meine Chefin fiel kurzfristig aus. Als ich durch die Tür kam und den Kunden sah, war mir klar, dass ich alles vergessen kann, was ich vorbereitet hatte. Da saß der sehr erfahrene Personalleiter, der – so zumindest mein Gefühl– geradewegs in mich reingucken konnte. Ihm konnte ich nichts vormachen. Glücklicherweise war er bereit, einem Jungspund wie mir eine Chance zu geben. Ich durfte eine Führungsposition direkt unter dem Vorstand besetzen und vermittelte einen Kandidaten, der damals Anfang 50 war. Er machte einen super Job, gestaltete den Change und blieb bis zu seiner Rente im Unternehmen.
Was ist dir in deiner neuen Rolle als Geschäftsführer und Gesellschafter schwergefallen?
Ich hatte Schwierigkeiten, meinen vielen unterschiedlichen Rollen und den damit einhergehenden Erwartungshaltungen gerecht zu werden und diese unter einen Hut zu bekommen: Projektabwickler mit Umsatzverantwortung, Berater für meine Kund:innen, Führungskraft für meine Mitarbeitenden und geschäftsführender Gesellschafter mit der Verantwortung für das Gesamtunternehmen und rund 20 Leute. Dazu war und bin ich Ehemann und Vater von drei Kindern. Das war zeitweise alles ein bisschen viel. Ein Coach hat mir sehr geholfen, mich zurechtzufinden.
Auch Alexander und ich brauchten eine Zeit, um als geschäftsführende Partner zusammenzufinden. Wir sind sehr unterschiedlich und mussten lernen, dies als Mehrwert zu begreifen. Dass uns das gelungen ist, ist ein wesentlicher Faktor für unseren heutigen Erfolg.
Gibt es Frustmomente in deinem Alltag?
Natürlich! Verlorene Pitches. Ganz besonders dann, wenn es ein Bestandskunde ist, der uns das nächste Mandat nicht gibt, bin ich tief enttäuscht. Glücklicherweise ist das bisher nicht so oft vorgekommen. Ich fühle eine große Verbundenheit mit meinen Kund:innen und den Drang, sie ehrlich zu beraten. Auch an die relativ hohe Fluktuation in der Personalberatung musste ich mich gewöhnen, 20 % ist keine Seltenheit. Den Vertriebsdruck in diesem Job muss man mögen bzw. handeln können. Viele Mitarbeiter:innen wollen irgendwann auf Unternehmensseite. Researcher, die man aufgebaut hat, wechseln gut ausgebildet woandershin. All das hat mich früher betrübt. Heute blicke ich mit Stolz auf ehemalige Mitarbeiter:innen, die aufgrund ihrer Entwicklung bei GET AHEAD erfolgreich im Job sind.
Hattest du einen Mentor oder eine Mentorin? Wenn ja, inwiefern prägten sie dich?
Ja, mehrere. Z. B. Monika Ockenfels, die Chefin der kleinen Personalberatung, bei der ich damals anfing. Sie forderte mich mit dem Schreiben von Anzeigentexten und brachte mir bei, detailorientiert zu sein und dennoch mit wenigen Worten auf den Punkt zu kommen. Auch Lutz Gosewisch, einer der Gründer von GET AHEAD, der mir das Vertrauen entgegenbrachte, das Geschäftsmodell weiterzuentwickeln, Verantwortung zu übernehmen und schließlich Anteile zu erwerben. Von ihm lernte ich, dass Vertrauen führt.
Und Dr. Jörg Knaack. Von ihm habe ich gelernt, dass Ziele klar definiert werden müssen. Er sagte immer: „Das Ziel zieht das Ergebnis, Matthias.“ Er war ein fordernder Advisor und kritischer Sparringspartner. Wir haben uns auf unzähligen Autofahrten über Eignungsdiagnostik und die Weiterentwicklung von GET AHEAD die Köpfe heiß geredet.
Alle Mentoren hatten gemein, dass sie mich ermutigt haben, mir selbst zu vertrauen.
Was gefällt dir am meisten an deinem Job? Was am wenigsten?
Ich liebe den Umgang mit Menschen und herauszufinden, was sie antreibt. Aus den Terminen mit Kund:innen und Kandidat:innen ziehe ich so viel Energie und Positivität, dass ich häufig denke, ich habe mein ganzes Leben noch nicht gearbeitet. Außerdem habe ich Spaß an Neuem. Dieses Interesse an Neuem treibt mich an. Schwierig finde ich es immer dann, wenn es keine Offenheit für frische Ideen gibt.
Wie wichtig ist es, sich Ziele zu setzen?
Ein selbstgestecktes Ziel zu erreichen, ist der höchste Motivationsfaktor. Das Ziel zieht das Ergebnis. Wenn es nicht anspruchsvoll definiert ist, ist der Output entsprechend.
Ich erstelle heute „not-to-do“-Listen, um Prioritäten richtig zu setzen. In der Vergangenheit habe ich mir oft zu viele Aufgaben vorgenommen und zu wenig konkrete Ziele gesetzt. Das war demotivierend.
Setzt du dir auch heute noch berufliche Ziele?
Ja. Ich würde z. B. gerne irgendwann Teil eines Beiratsgremiums sein. Gerade Familienunternehmen im Generationsübergang zu begleiten, finde ich sehr spannend!
Was waren deine größten beruflichen Fehler und was hast du daraus gelernt?
Da fallen mir spontan vier ein.
Wann sagst du ein Mandat ab?
Transparenz und Klarheit sind mir wichtig. Ich muss Geschäftsmodell und -strategie verstehen, dahinterstehen und vermitteln können. Sonst sage ich ab. Das ist ein Learning aus der New-Economy-Zeit.
Welches ist der beste Ratschlag, den du bisher bekommen hast? Und welches der Unsinnigste?
Der Beste: „Herr Zühlke, theoretisieren Sie nicht rum, kommen Sie auf den Punkt.“ Das war Jürgen Abraham, der Gründer von Abraham Schinken, bei dem ich die Stelle des CFOs besetzen durfte.
Der (zunächst) Unsinnigste von unserem zweiten Gründungsgesellschafter: „Zühlke, wer zu viele Projekte hat, einfach mal was abschließen.“ Den fand ich erstmal doof, als ich so mit meinen Projekten rumjonglierte. Aber im Alltag zeigt sich, nur wenn du konzentriert am Ball bleibst, kommt was bei raus. Daher muss man auch Zeit und Energie am Stück in ein Projekt investieren, um voranzukommen.
Woran erkennt man eine starke/herausragende Führungskraft?
Ich mache das daran fest, dass sie in der Lage ist, eigene Fehler einzugestehen. Führungsqualitäten zeigen sich auch in Trennungsprozessen und in der Visionsfähigkeit. Eine starke Führungskraft ist in der Lage, mehrere Schritte weiter zu denken, als die Organisation aktuell ist.
Früher hieß es immer, für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Wie siehst du das?
Das stimmt, wenn wir davon reden, dass die Kandidaten:innen beim Kunden erscheinen. Aber der/die Kandidat:in muss zum Kunden passen und nicht zu mir als Personalberater. Beim Kunden zählt der erste Eindruck. Händedruck, Auftreten, Aussprache und Umgang mit Empfangsmitarbeitern sind sehr aufschlussreich. Die Beurteilung über Video-Interviews ist heute eine weitaus größere Herausforderung.
Was rätst du deinen Kindern bzgl. Berufswahl / Karriereplanung?
Mach das, was dir Spaß macht, dann musst du dein Leben lang nicht arbeiten. Und wenn du etwas machst, dann mach es mit voller Leidenschaft.
Danke für das Gespräch. Wir freuen uns auf die nächsten 25 Jahre!