Veröffentlicht am 21. Juni 2021
Ein Beitrag von Meltem Ay

Nachhaltigkeit in der Life-Sciences-Industrie

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Meltem Ay im Gespräch mit Kyra Constanze Pauly, Head of Sustainability Strategy & Impact Programs bei der Bayer AG, zum Thema Nachhaltigkeit.

Meltem Ay im Gespräch mit Kyra Constanze Pauly, Head of Sustainability Strategy & Impact Programs bei der Bayer AG, zum Thema Nachhaltigkeit.

Wie nachhaltig ist die Life-Sciences-Industrie und wie nachhaltig kann und will sie werden?

Generell verspürt jedes Unternehmen einen Handlungsdruck, weil die unterschiedlichen Stakeholder – Gesellschaft und Konsumenten, Regulatoren und Investoren – Nachhaltigkeit sehr stark in den Vordergrund stellen. Unternehmen nehmen das Thema sehr ernst und bei einigen ist es inzwischen Kern der Geschäftsstrategie. Es gibt dabei immer zwei Aspekte: Risiko und Business Opportunity, also Geschäfts- und Differenzierungsmöglichkeiten.

Nachhaltigkeit ist ein Trend in sämtlichen Industrien, auch im Konsumgüterbereich und in der Landwirtschaft. Unternehmen müssen sich gerade in diesen Zeiten fragen, wie inklusiv und umweltfreundlich sie sind. Zum Beispiel können sich nur reiche Länder die Impfung leisten oder kommen auch andere Länder dran? Hier spielen soziale Gerechtigkeit und gelebte Inklusion eine große Rolle. Und natürlich ist der Klimawandel die allergrößte Herausforderung unserer Zeit.  Bei Bayer verfolgen wir ambitionierte Ziele für inklusives Wachstum und Umweltschutz einschließlich Klimaschutz. Nachhaltigkeit ist dabei ein Teil unserer Geschäftsstrategie.

 Welchen Einfluss hat die Pharmaindustrie auf die Nachhaltigkeit?

Vorkehrungen müssen getroffen werden, um die Umwelt zu schützen. Soziale Teilhabe muss ermöglicht und Produkte auch ärmeren Ländern und Bevölkerungsschichten zugänglich gemacht werden. Dies versuchen wir beispielsweise über unsere Patient-Access-Programme. Wir arbeiten mit Versicherungen, um bezahlbare Gesundheitsversorgung zu gewährleisten und auch den Zugang zu z. B. Krebsmedikamenten möglich zu machen. Dies ist ein zutiefst ethisches Thema. Seit 2008 veröffentlicht die @Access to Medicine Foundation ein Ranking der 20 größten Pharma-Unternehmen. Dieser Access-to-Medicine-Index bewertet die Maßnahmen der Unternehmen, Menschen in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen (LMICs) Diagnosen und Medikamente leichter zugänglich zu machen. Bayer liegt aktuell auf dem 13. Platz. Wir haben uns in den letzten Jahren hier deutlich verbessert – ein tolles Zeichen, dass unsere Strategie Früchte trägt. Aber natürlich endet hier die Reise nicht, und wir streben auch weitere Verbesserungen an.

 Seit wann beschäftigen Sie sich mit diesem Thema?

Nachhaltigkeit ist kein neues Thema. Bei Bayer gibt es z. B. seit den 70iger Jahren ausführliche Berichte über Nachhaltigkeitsaktivitäten, Umwelt und Governance. Ich habe mich seit 2018 viel mit Trendanalysen beschäftigt. Nachhaltigkeit war immer ein großer Trend. Greta Thunbergs Rede Anfang 2018 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos ‚I want you to act like your house is on fire, because it is!‘ und die Fridays-for-Future-Bewegung haben uns gesellschaftlich einen Kick-Start gegeben. Dadurch stieg die gesellschaftliche Wahrnehmung. Auch aus Investorensicht ist Nachhaltigkeit ein essenzieller Faktor. Z. B. ist Klima ein erheblicher Risikofaktor, wenn z. B. ganze Ernten ausfallen und großer Schaden für Mensch, Umwelt und Ökonomie entsteht. So kommt Druck von Investorenseite auf Firmen, wie das Risiko verringert werden kann.

 Haben Sie einen ganzheitlichen Ansatz und eine umfassende Strategie für Nachhaltigkeit festgelegt?

Ja, das haben wir. Wir waren schon immer in den verschiedensten Bereichen der Nachhaltigkeit aktiv. 2019 haben wir unser Engagement deutlich erhöht und uns eine sehr umfassende Nachhaltigkeitsstrategie mit ambitionierten Zielen im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen gesetzt. Dabei fördern wir inklusives Wachstum, um deutlich mehr Menschen in unseren Kernbereichen Gesundheit und Ernährung zu helfen, und reduzieren unseren ökologischen Fußabdruck entlang unserer kompletten Wertschöpfungskette. Zum Beispiel wollen wir bis 2030 vollständig klimaneutral werden und auch den Landwirten helfen, ihren CO2-Fußabdruck deutlich zu senken.

 Bei der Strategieentwicklung sind wir ganzheitlich vorgegangen: Die Erwartungen und Anforderungen der verschiedenen Stakeholder ermitteln wir anhand einer Materialitätsanalyse. Weltweit werden Vertreter wichtiger Stakeholder-Gruppen befragt. Die Ergebnisse zeigen dringende Themen, aktuelle Entwicklungen sowie nachhaltigkeitsrelevante Chancen und Risiken auf und helfen uns, diese entsprechend zu bewerten. Außerdem spiegelt die Befragung externer Stakeholder unsere wahrgenommene Leistung im Nachhaltigkeitskontext wider. So identifizieren wir Schwachstellen und Optimierungsbedarfe.

Ziele im Bereich Klima und Soziales sind elementar. Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein entscheidender Faktor für die zukünftige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Moderne Empfängnisverhütung trägt nachweislich dazu bei, die Rolle der Frauen zu stärken. Sie hilft ihnen, selbst über ihren Lebensweg zu bestimmen – oftmals mit positiven Effekten auf Familien und Gemeinschaften.

Außerdem helfen wir Kleinbauern in besonders von Nahrungsmittelknappheit gefährdeten Regionen mit landwirtschaftlichem Fachwissen und einem Marktzugang für landwirtschaftliche Produkte. Dadurch unterstützen wir die Steigerung der Lebensmittelproduktion in diesen Regionen. Bayer stellt Ökosysteme bereit und vermittelt Wissen, wie man Produkte anwendet. Über Partner mit Regierungsprogrammen ermöglichen wir Kleinkredite. Doing well by doing good!

 Wir sehen Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil, den wir stetig ausbauen wollen. Bayer reduziert u. a. den Treibhausgas-Fußabdruck im Pflanzenschutz, schafft für 100 Mio. Menschen in benachteiligten Gegenden einen Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung und hilft 100 Mio. Kleinbauern in Ländern mit geringem bis mittlerem Einkommensniveau (low and middle-income countries, LMIC) dabei, für sich selbst und andere genügend hochwertige Nahrungsmittel zu produzieren. Das schafft eine klare win-win-win- Situation: für Kleinbauern und die Menschen, die sie ernähren, die Umwelt und uns als innovatives Unternehmen.

 Warum bringt es Vorteile, sich als klimaneutrales Unternehmen aufzustellen?

Wir tragen zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Umwelt, zum Erhalt der Ökosysteme bei. Unser Klimaziel entspricht den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens, die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Es wurde im Sommer 2020 von der „Science Based Targets Initiative“ bestätigt. Bis 2030 werden wir ein klimaneutrales Unternehmen sein. Darüber hinaus haben wir die „Business Ambition for 1.5 °C“ unterzeichnet und wollen bis 2050 Netto-Null-Emissionen in unserer gesamten Wertschöpfungskette erreichen.

Angesichts der globalen Klimakrise gibt es eine große Notwendigkeit sich klimaneutral aufzustellen. Viele Initiativen unterstützen dies auch auf der politischen Ebene. Die EU z. B will bis 2050 klimaneutral sein.

 Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf das Thema Environment, Social, Governance (ESG) und Corporate Social Responsibility (CSR)?

Die Corona-Pandemie hat dem Thema ESG einen Push gegeben. Anfangs fragte man sich, was passiert jetzt, weil auch Arbeitsplätze in Gefahr sind. Im Schnitt ist die Awareness für Nachhaltigkeit weiter gestiegen. Klima und Diversity sind in den Vordergrund gerückt. Soziale Verantwortung wurde wichtiger.

 Sind Sie auf den Umgang mit den Massen an Daten, die im Rahmen der Digitalisierung generiert werden, und den damit verbundenen Anforderungen vorbereitet?

Digitalisierung ist natürlich aktuell eines der wichtigen Themen neben Innovation und Nachhaltigkeit. Digitalisierung hilft auch, nachhaltiger zu werden durch komplette Wertschöpfungsketten hindurch: Reduzierung der Tierversuche, geringerer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Reduktion der Umweltbelastung und Kosteneffizienz.

 Herzlichen Dank für das Gespräch!

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